WS 2011/2012                         exam translation (advanced)                text #9: model answer    

Das Wort [der Begriff] „Kultur“ scheint etwas Hohes [Erhabenes, Höheres], Tiefgründiges [Profundes], Respektheischendes [Respekteinflößendes, Geachtetes, Angesehenes etc.] zu bedeuten – etwas, wovor wir uns verneigen. Es [= das Wort] verbindet sich mit [gesellt sich zu] Natur als einem Standard [als einer Richtschnur, Messlatte etc.] für die Beurteilung von [für das Urteil über] Menschen und ihre Taten, aber besitzt sogar noch größere Würde. Es [das Wort, der Begriff] wird fast nie(mals) abwertend [pejorativ] gebraucht [verwendet], wie (dies bei) „Gesellschaft“, „Staat“, „Nation“ oder sogar „Zivilisation“ (der Fall ist), Begriffe, an deren Stelle allmählich (der Begriff) Kultur tritt [auch: Begriffe, die ersetzt werden durch...] oder für deren Legitimität [Berechtigung] Kultur bürgt [deren Legitimität Kultur garantiert]. Kultur ist [bedeutet] die Einheit der rohen Natur des Menschen und all der Künste und Wissenschaften, [auch: die Einheit ... mit all den Künsten] die er sich auf seinem Wege [in Laufe seiner Entwicklung] vom Naturzustand zur bürgerlichen Gesellschaft [Zivilgesellschaft] angeeignet hat. Kultur stellt die verloren gegangene Ganzheit [Ganzheitlichkeit, Einheit] des ersten Menschen auf einer höheren Ebene [Niveau, Stufe] wieder her, auf der [wo] sich seine (in ihm schlummernden) Fähigkeiten ohne den Widerspruch zwischen dem natürlichen Verlangen [den natürlichen Trieben] und den moralischen Zwängen seines gesellschaftlichen Lebens [seines Lebens in der Gesellschaft] voll entwickeln [entfalten] können.

„Kultur“ im modernen Sinne (des Wortes) wurde zum ersten Mal von Immanuel Kant gebraucht [verwendet]; er dachte dabei an Rousseau, als er es gebrauchte [benutzte] und zwar dachte er besonders daran, was Rousseau über den Bourgeois sagte. Der Bourgeois ist eigennützig [selbstsüchtig, egoistisch], aber ohne die Reinheit und Einfachheit des natürlichen Eigennutzes [Egoismus]. Er schließt Verträge ab [er geht Abmachungen eine, er trifft Vereinbarungen] in der Hoffnung, dass er die Oberhand über den Vertragspartner gewinnt [dass er aussticht etc.]. Seine Loyalität [Treue] gegenüber den anderen und sein Gehorsam gegenüber dem Gesetz [seine Gesetzestreue] gründen sich auf Gewinnerwartung [sehr frei: darauf, dass er dabei etwas gewinnt, dass dabei für ihn etwas herausspringt]: „Ehrlich währt am längsten“ (ist seine Devise). So korrumpiert [untergräbt] er die Moral, deren Wesen darin besteht, um ihrer selbst willen zu existieren. Der Bourgeois genügt [befriedigt + Akk.] keinem der beiden Extreme, weder der Natur noch dere Moral. Der moralische Anspruch ist nur [bloß] ein [ein rein] abstraktes Ideal, wenn er etwas verlangt, das die Natur nicht zu geben vermag. Roher Egoismus [Eigennutz] wäre falscher [vorgetäuschter, geheuchelter] Moralität vorzuziehen.

Aber welche Beziehung gibt es zwischen Kants und unserer Verwendung des Wortes? Es scheint, als gäbe es derzeit zwei geläufige [gängige] Verwendungsformen, die, während sie zwar klar von einander abgegrenzt sind, doch miteinander verbunden [verknüpft] sind. Erstens ist Kultur fast identisch [gleichbedeutend] mit Volk oder Nation, (so) wie in (dem Beispiel) „französische Kultur“, „deutsche Kultur“, „iranische Kultur“ etc. Zweitens bezieht sich Kultur auf Kunst, Musik, Literatur, Bildungsfernsehen [Bildungsprogramme im Fernsehen], bestimmte Arten von Filmen – kurzum (auf) alles, was erhebend und erbaulich ist – also im Gegensatz zum Kommerz steht.

Die Verbindung besteht darin, dass Kultur auf hohem Niveau [dass Hochkultur] das reiche gesellschaftliche Leben (erst) ermöglicht, das ein Volk ausmacht, also seine Bräuche [Gebräuche, Gewohnheiten], Stile, Geschmäcker [Geschmacksrichtungen, Vorlieben] Feste, Rituale, Götter. All(es) dies bindet die einzelnen Individuen in eine verwurzelte Gruppe ein, (in) eine Gemeinschaft, in der sie ihre Gedanken und ihren Willen allgemein äußern, mit dem Volk als moralischer Einheit und dem Individuum [dem Einzelnen] geeint in sich selbst. Eine Kultur (für sich genommen) ist [stellt dar, bedeutet] ein Kunstwerk, das seinen hehren [erhabenen] Ausdruck in den schönen Künsten [auch: bildenden Künsten] findet. Auf der anderen Seite werden in der Kultur (im allgemeinen Sinn) die Individuen [die Einzelnen] durch die Gesamtheit (aller) geformt so wie die Chormitglieder eines griechischen Dramas. Charles de Gaulle [jemand wie C. de G.] oder auch [,um ein anderes Beispiel zu nennen,] Alexander Solschenizyn sahen die Vereinigten Staaten als eine bloße Anhäufung von Individuen [Einzelpersonen] an, (als) einen Müll[ablade]platz für den Müll [Abfall], der von woanders [anderswoher] stammte, (und) dem Konsum(ieren) ergeben (war); kurzum keine Kultur.

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