Das Wort [der Begriff] „Kultur“ scheint etwas Hohes
[Erhabenes, Höheres], Tiefgründiges [Profundes], Respektheischendes
[Respekteinflößendes, Geachtetes, Angesehenes etc.] zu bedeuten –
etwas, wovor wir uns verneigen. Es [= das Wort] verbindet sich mit [gesellt sich
zu] Natur als einem Standard [als einer Richtschnur, Messlatte etc.] für
die Beurteilung von [für das Urteil über] Menschen und ihre Taten, aber
besitzt sogar noch größere Würde. Es [das Wort, der Begriff] wird fast
nie(mals) abwertend [pejorativ] gebraucht [verwendet], wie (dies bei)
„Gesellschaft“, „Staat“, „Nation“ oder sogar „Zivilisation“ (der
Fall ist), Begriffe, an deren Stelle allmählich (der Begriff) Kultur tritt [auch:
Begriffe, die ersetzt werden durch...] oder für deren Legitimität
[Berechtigung] Kultur bürgt [deren Legitimität Kultur garantiert]. Kultur ist
[bedeutet] die Einheit der rohen Natur des Menschen und all der Künste und
Wissenschaften, [auch: die Einheit ... mit all den Künsten] die er sich
auf seinem Wege [in Laufe seiner Entwicklung] vom Naturzustand zur bürgerlichen
Gesellschaft [Zivilgesellschaft] angeeignet hat. Kultur stellt die verloren
gegangene Ganzheit [Ganzheitlichkeit, Einheit] des ersten Menschen auf einer höheren
Ebene [Niveau, Stufe] wieder her, auf der [wo] sich seine (in ihm schlummernden)
Fähigkeiten ohne den Widerspruch zwischen dem natürlichen Verlangen [den natürlichen
Trieben] und den moralischen Zwängen seines gesellschaftlichen Lebens [seines
Lebens in der Gesellschaft] voll entwickeln [entfalten] können.
„Kultur“ im modernen Sinne (des Wortes) wurde zum ersten Mal von Immanuel
Kant gebraucht [verwendet]; er dachte dabei an Rousseau, als er es gebrauchte
[benutzte] und zwar dachte er besonders daran, was Rousseau über den Bourgeois
sagte. Der Bourgeois ist eigennützig [selbstsüchtig, egoistisch], aber ohne
die Reinheit und Einfachheit des natürlichen Eigennutzes [Egoismus]. Er schließt
Verträge ab [er geht Abmachungen eine, er trifft Vereinbarungen] in der
Hoffnung, dass er die Oberhand über den Vertragspartner gewinnt [dass er
aussticht etc.]. Seine Loyalität [Treue] gegenüber den anderen und sein
Gehorsam gegenüber dem Gesetz [seine Gesetzestreue] gründen sich auf
Gewinnerwartung [sehr frei: darauf, dass er dabei etwas gewinnt, dass
dabei für ihn etwas herausspringt]: „Ehrlich währt am längsten“ (ist
seine Devise). So korrumpiert [untergräbt] er die Moral, deren Wesen darin
besteht, um ihrer selbst willen zu existieren. Der Bourgeois genügt [befriedigt
+ Akk.] keinem der beiden Extreme, weder der Natur noch dere Moral. Der
moralische Anspruch ist nur [bloß] ein [ein rein] abstraktes Ideal, wenn er
etwas verlangt, das die Natur nicht zu geben vermag. Roher Egoismus [Eigennutz]
wäre falscher [vorgetäuschter, geheuchelter] Moralität vorzuziehen.
Aber welche Beziehung gibt es zwischen Kants und unserer Verwendung des Wortes?
Es scheint, als gäbe es derzeit zwei geläufige [gängige] Verwendungsformen,
die, während sie zwar klar von einander abgegrenzt sind, doch miteinander
verbunden [verknüpft] sind. Erstens ist Kultur fast identisch [gleichbedeutend]
mit Volk oder Nation, (so) wie in (dem Beispiel) „französische Kultur“,
„deutsche Kultur“, „iranische Kultur“ etc. Zweitens bezieht sich Kultur
auf Kunst, Musik, Literatur, Bildungsfernsehen [Bildungsprogramme im Fernsehen],
bestimmte Arten von Filmen – kurzum (auf) alles, was erhebend und erbaulich
ist – also im Gegensatz zum Kommerz steht.
Die Verbindung besteht darin, dass Kultur auf hohem Niveau [dass Hochkultur] das
reiche gesellschaftliche Leben (erst) ermöglicht, das ein Volk ausmacht, also
seine Bräuche [Gebräuche, Gewohnheiten], Stile, Geschmäcker
[Geschmacksrichtungen, Vorlieben] Feste, Rituale, Götter. All(es) dies bindet
die einzelnen Individuen in eine verwurzelte Gruppe ein, (in) eine Gemeinschaft,
in der sie ihre Gedanken und ihren Willen allgemein äußern, mit dem Volk als
moralischer Einheit und dem Individuum [dem Einzelnen] geeint in sich selbst.
Eine Kultur (für sich genommen) ist [stellt dar, bedeutet] ein Kunstwerk, das
seinen hehren [erhabenen] Ausdruck in den schönen Künsten [auch:
bildenden Künsten] findet. Auf der anderen Seite werden in der Kultur (im
allgemeinen Sinn) die Individuen [die Einzelnen] durch die Gesamtheit (aller)
geformt so wie die Chormitglieder eines griechischen Dramas. Charles de Gaulle
[jemand wie C. de G.] oder auch [,um ein anderes Beispiel zu nennen,] Alexander
Solschenizyn sahen die Vereinigten Staaten als eine bloße Anhäufung von
Individuen [Einzelpersonen] an, (als) einen Müll[ablade]platz für den Müll
[Abfall], der von woanders [anderswoher] stammte, (und) dem Konsum(ieren)
ergeben (war); kurzum keine Kultur.
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