Ernst Leisi, Christian Mair, Das heutige Englisch: Wesenszüge und Probleme, Winter, Heidelberg, 1999, 8. neubearbeitete Auflage, 117 - 126

[Andererseits gibt es Kategorien, die im Verlaufe der Entwicklung gestärkt worden sind, indem sie entweder neu entstanden sind oder einen strengeren Parallelismus zwischen Form und Funktion zeigen, der weniger Unregelmäßigkeiten erlaubt; zu diesen gestärkten Kategorien gehören besonders der Aspekt (die Unterscheidung zwischen progressiver und einfacher Form) und das Tempus des Verbs, aber auch die nichtfiniten Formen (das gerund, die Partizipien und Infinitive). Wir beginnen mit den gestärkten Kategorien.]

                                                                                                                            Der Aspekt

Eine auffallende und für den Lernenden schwierige Kategorie ist die des Aspekts. Unter diesem Terminus werden zwei kontrastierende Formen zusammengefasst, die sogenannte einfache Form und die progressive form oder Verlaufsform. "Aspekt" bildet zu ihnen den notwendigen Oberbegriff, so wie es "Kasus" zu Nominativ, Genitiv etc. und "Numerus" zu Singular und Plural tut. Der Aspekt ist ein in der Sprachwissenschaft umstrittenes Thema. Es ist deshalb notwendig, dass man die eigene Meinung klar macht. Wir gehen von folgenden drei Thesen aus:

 

1. Das englische Verb besitzt zwei und nur zwei Aspekte: die sogenannte einfache Form I go und die Verlaufsform I am going (bzw. ihre Entsprechungen in den anderen Tempora). (Manche Grammatiker sehen auch das present perfect als einen Aspekt an.)

2. Jede dieser beiden Formen hat eine bestimmte Grundfunktion, nicht - wie in manchen anderen Grammatiken angenommen - mehrere Funktionen.

3. Die beiden Formen bestimmen und beschränken sich gegenseitig in ihrer Funktion.

Wir gehen auf diese Punkte der Reihe nach ein. Es empfiehlt sich - und damit folgen wir der strukturalistischen Sprachauffassung - nur solche Kategorien als grammatische anzuerkennen, bei denen eine eindeutige Beziehung zwischen Form und Funktion besteht, genauer gesagt: Kategorien, bei denen eine bestimmte Formänderung eine bestimmte Inhaltsänderung bewirkt. Dies ist beim englischen Aspekt der Fall. Dem eindeutigen Formunterschied I go - I am going entspricht der eindeutige Funktionsunterschied: "Auffassung als Tatsache" - "Auffassung als Verlauf".

Mit diesen Wörtern - "Tatsache" und "Verlauf" - haben wir versucht, die beiden Funktionen auf eine möglichst kurze Formel zu bringen. He walked - so können wir sagen - fasst das Gehen als Tatsache auf, grenzt es vom Nichtgehen und von anderen Möglichkeiten der Bewegung ab. He was walking dagegen sieht den Vorgang als Verlauf und blickt in dessen Mitte hinein: Die Person hat bereits zu gehen begonnen und noch nicht aufgehört. Um den Unterschied der beiden Funktionen zu verdeutlichen, bedient man sich auch gern zeichnerischer Mittel. Die beste Darstellung ist hier vielleicht das eingeklammerte schräge Kreuz (x) für die einfache Form, und die beiderseits auslaufende Wellenlinie ...~~~... für die Verlaufsform. Das schräge Kreuz als mathematisches Zeichen soll anzeigen, dass es sich um eine eher logische als sinnlich ausmalende Erfassung des Vorgangs handelt, die Klammer, dass der Vorgang nicht gegliedert, sondern von A bis Z zusammengefasst erscheint. Im Gegensatz hierzu soll die Wellenlinie andeuten, dass die Verlaufsform dem Ereignis zeitliche Ausdehnung zuerkennt, es als Verlauf darstellt. Wie die Punkte am Anfang und am Ende andeuten, wird nur die Mitte des Vorgangs klar gesehen, Anfang und Ende dagegen verdunkelt oder - mit einem Ausdruck des Films - ausgeblendet.

So viel zum Grund-Unterschied der beiden Formen. Alle anderen Funktionen, die man ihnen auch zuschreibt, lassen sich daraus ableiten. Die einfache Form fragt, wie erwähnt, nur nach der Tatsächlichkeit eines Ereignisses, nach "wahr" oder "nicht wahr", aber nicht so sehr nach dessen Verlauf. Deshalb ist es für sie im Prinzip gleichgültig, ob ein Ereignis ein- oder mehrmals geschieht, und sie kann bekanntlich auch für mehrmalige Ereignisse, für Gewohnheiten stehen, z.B. He gives lectures at the Technical High School. Die Progressive Form ist dagegen mehr sinnlich als logisch. Sie dient dem Ausdruck der Imagination und Emotion: deshalb ihre gelegentliche Verwendung als Intensivum. Ferner betont sie die Unabgeschlossenheit des Vorgangs (A was drowning when B rescued him); was aber jetzt unabgeschlossen ist, wird vielleicht in der Zukunft abgeschlossen sein, daher die futurische Bedeutung in Sätzen wie I am leaving tomorrow. Alle diese und noch andere Nebenfunktionen sind also nur Folgen der einen Grundfunktion.

Weiter muss man sich stets vor Augen halten, dass sich die beiden Formen wie alle sprachlichen Nachbarn gegenseitig bestimmen und einschränken. Jede Form erklärt sich aus dem Gegensatz zur anderen und muss auch im Hinblick auf die andere beurteilt werden. Wenn wir uns also an einer gegebenen Stelle die Verwendung der Verlaufsform nicht erklären können, muss unsere erste Frage sein: Was für eine Bedeutung hätte die andere Form an dieser Stelle? Dazu ein Beispiel: I am not joking. There was no question of suicide. Wenn ein Ereignis negiert ist, so kann man es sich schwer als Verlauf vorstellen; auch scheint es hier überhaupt mehr auf die Tatsache anzukommen. Weshalb also die Verlaufsform? Die Substitution der anderen Form gibt die Antwort: I do not joke wäre zeitfrei und würde eine Gewohnheit bezeichnen; was der Sprechende sagen will, ist aber, dass er in diesem besonderen Fall keinen Scherz macht, daher die Verlaufsform.

Und noch etwas anderes: Wenn sich die beiden Formen in ihrem Funktionsumfang gegenseitig beschränken, so heißt das: nicht nur die Verlaufsform hat eine besondere Funktion, sondern auch die einfache Form. He went hat also eine speziellere Bedeutung als das deutsche "er ging". Es ist deshalb nicht richtig, die Form he went als etwas völlig Selbstverständliches zu überspringen und gleich zur Verlaufsform überzugehen, wie es viele Grammatiken tun. Vielmehr sollte ihre Funktion mit der gleichen Sorgfalt behandelt werden. Man betrachte z. B. die folgenden Sätze: I looked across at the other table. Pedro Romero smiled. Kontrastieren wir mit der anderen Form. I looked across at the other table. Pedro Romero was smiling. Die Verlaufsform würde bedeuten, dass er schon vorher gelächelt hat; die einfache Form he smiled zeigt dagegen an, dass er erst auf meinen Blick hin lächelt, wahrscheinlich sogar wegen, infolge meines Blickes. Das heißt: wenn zwei Handlungen in der Einfachen Form als Tatsachen wiedergegeben werden, so ergibt sich eine Tendenz, ihr Verhältnis als kausal aufzufassen. Es ist nur eine Tendenz, aber sie ist da, wogegen sie im Deutschen fehlt. Ich blickte hin. Er lächelte drückt den Bezug nicht eindeutig aus. Um den zarten "Schatten" von Kausalität, der in der englischen Form liegt, wiederzugeben, müsste mindestens ein und eingefügt werden: Ich blickte hinüber, und Pedro Romero lächelte. Dies ist keine grammatische Haarspalterei, sondern sehr wichtig für die Beurteilung des Stils moderner englischer Prosaisten. Viele von ihnen lieben es, ihre Sätze ataktisch, ohne ausdrückliche Angabe der Beziehung aneinanderzureihen. Kurzsichtige oder allzu gewissenhafte Übersetzer machen es ihnen genau nach. Wir müssen aber wissen: Im Englischen orientiert uns der Aspekt über die Art der Beziehung und die kurzen Sätze der modernen Autoren (etwa Hemingways) sind lange nicht so nackt und hart, wie es in der Übersetzung scheint.

Wenn wir nunmehr danach fragen, wie die Verlaufsform anzuwenden ist, so können wir eine allgemeine Gebrauchsregel aus ihrer Geschichte ableiten. Die Verlaufsform ist relativ jung, sie stammt aus der Umgangssprache, von welcher die Impulse bis heute weitergehen. So hat die Verlaufsform noch im 19. und 20. Jahrhundert immer weitere Gebiete erobert und tut dies zum Teil noch jetzt. Die Verlaufsform von to be (you are being polite) und von to have (his Lordship was having tea) kamen erst im 19. Jahrhundert auf. Im 20. Jahrhundert hat sie sich besonders im Futurum stark ausgebreitet (we’ll be missing you). Zu den ganz neuen Gebräuchen gehören Formen mit drei Hilfsverben (... must be being considered, has been being considered) oder die Verlaufsfonn bei modal gebrauchtem have to (he is having to re-consider his position). Heißt das für uns, daß wir die Verlaufsform so oft wie möglich gebrauchen sollen? Gerade nicht. Denn das sprachlich Konservative ist gesichert, das sprachlich Neue riskant. "Hyperkorrektur", das Bedürfnis, englischer sein zu wollen als Muttersprachler selbst und dabei über das Ziel hinauszuschießen, ist ein Kennzeichen gerade der Sprache fortgeschrittener Lerner.

Was gilt weiter, abgesehen von dieser Faustregel? Ein Verb bezeichnet im allgemeinen einen Vorgang. Jeder Vorgang ist aber gleichzeitig Tatsache und Verlauf, also sind wir im Prinzip frei, die eine oder andere Form zu wählen. Und wodurch wird diese Freiheit eingeschränkt? Es kann sich hier nicht darum handeln, eine vollständige Grammatik der Verlaufsform zu geben; nur auf zwei Punkte sei hingewiesen, die, obwohl sie wichtig sind, häufig übersehen werden: 1. Der Zusammenhang zwischen Aspekt und Grundbedeutung des Verbs und 2. Das Zusammenwirken der Aspekte, wenn zwei oder mehrere Verben gebraucht werden.

Es gibt eine Anzahl von Verben, bei denen die Verlaufsform ausgeschlossen ist: contain, belong, like, mean (im Sinne von bedeuten), own, possess, resemble, seem, suffice und suit. Grammatiken geben vollständige Listen. Quirk und seine Mitautoren sprechen von stative verbs, d.h. Verben, die im Gegensatz zu den meisten anderen konstante Relationen bzw. über längere Zeit stabile Zustände bezeichnen. Diese Grundbedeutungen sind natürlich mit der dynamischen, zeitliche Begrenztheit und wechselnde Intensität signalisierenden Verlaufsform unvereinbar. Betrachten wir als Beispiel contain und possess. Es gibt keine Tätigkeit des Enthaltens oder Besitzens. Diese Verben, überhaupt die ganze Gruppe, stehen nicht für Tätigkeiten oder Vorgänge, sondern für abstrakte, statische Beziehungen zwischen Wesen oder Dingen; ihre Inhalte nähern sich fast denjenigen von Präpositionen wie in, near, under (1).

(1) Eine Nebenbedeutung von contain, "eindämmen", bezeichnet eine aktive Handlung. Sie ist deshalb ohne weiteres mit der Verlaufsform vereinbar: While the US was containing Communism in Vietnam, the Soviets were expanding in Africa. Tun wir der englischen Grammatik etwas Gewalt an, ließe sich sogar "progressives" possess denken: the devil is possessing his victim's soul ("... ergreift von seiner Seele Besitz").

Ähnlich, wenn auch nicht so ausschließlich, verhalten sich die Verben der Sinneswahrnehmung. Das Erblicken, Vernehmen, Bemerken ist eine Art von "Einrasten", ein "click"; einen Verlauf oder bewusste Kontrolle gibt es hier nicht. Daher erscheinen see, hear, notice, recognize, auch know, selten in der Verlaufsform, es sei denn, dass eine Sonderbedeutung vorliegt (z.B. to see = to have an interview with). Wo es aber um bewusstes Zusehen oder Hinhören geht (z.B. bei look und listen), liegt eine echte Tätigkeit vor, und die Verlaufsform ist normal.

So wie die Bedeutung den Aspekt beeinflusst, kann auch umgekehrt der Aspekt die Bedeutung des Verbs beeinflussen und ändern. Mit seiner Hilfe können wir bei mehrdeutigen Verben die eine oder andere Bedeutung auswählen und so die Mehrdeutigkeit aufheben. To think bedeutet bekanntlich sowohl "nachdenken" wie "meinen". Nachdenken ist ein Prozess, meinen das fixierte Resultat dieses Prozesses. Deshalb heißt to be thinking eher "nachdenken", to think eher "meinen"; d.h., der Wechsel des Aspekts im Englischen entspricht ungefähr dem Wechsel des ganzen Wortes im Deutschen. Dasselbe gilt für andere Verben, die geistige Haltungen einerseits, geistige Vorgänge andererseits ausdrücken. To feel bedeutet eher "der Meinung sein" (the committee feels), to be feeling eher "empfinden" (z.B. ein körperliches Gefühl wie Kribbeln, Übelkeit usf.). To expect bedeutet eher einen Willensakt (England expects every man to do his duty); to be expecting ein mehr passives Entgegensehen (to be expecting a baby). Miss heißt eher "verpassen", to be missing eher "vermissen"; cry eher "ausrufen", to be crying eher "weinen". Selbstverständlich deckt sich der Aspektunterschied bei diesen Wörtern nicht immer mit einem bestimmten deutschen Wortunterschied, aber doch in vielen Fällen.

Sogar ein benachbartes Wort kann sich je nach dem Aspekt des Verbs ändern. Just + Verlaufsform bedeutet meist: "gerade", "in diesem Augenblick" (he was just entering = "er trat eben ein, als das und das geschah"), just + faktuelle Form heißt eher: "nur", "lediglich" (he just entered ="er trat einfach, ohne weiteres, ein").

Aspekt und Grundbedeutung sind also verknüpft: Gewisse Grundbedeutungen schließen die Verlaufsform aus, andererseits kann ein bestimmter Aspekt die Bedeutung bestimmen helfen.

Ein wichtiger, gleichfalls oft übersehener Punkt ist die Koordination der Aspekte. In der Regel sprechen wir im Zusammenhang, d.h., wir gebrauchen meist mehrere Verben miteinander. Wie verhalten sich die Dinge, wenn zwei oder mehrere Verben im Spiel sind? Offenbar lassen sich hier vier Grundtypen der Kombination unterscheiden: 1. Faktuell + Faktuell. 2. Progressiv + Progressiv. 3. Progressiv + Faktuell. 4. Faktuell + Progressiv. (Viele der folgenden Beispiele sind den Werken Katherine Mansfields entnommen.)

Typus 1, Faktuell + Faktuell, wird vor allem dann verwendet, wenn eine Reihe aufeinanderfolgender Vorgänge zu schildern - ist: He stared wildly at the cup of tea for a moment, glanced round him, put it down on the bed table, caught up his hat and stammered ... Jede dieser Handlungen ist abgeschlossen, bevor die nächste beginnt; wir haben eine klar geschiedene Aufeinanderfolge. Die Formel 1 kann auch bei Gleichzeitigkeit angewendet werden: While the bath water ran, Reginald Peacock tried his voice. In diesem Fall werden die beiden Vorgänge als gleichwertig angesehen, keiner ist dem andern untergeordnet. Wie schon gesagt, haftet dieser Formel eine Neigung zur kausalen Verknüpfung an, die aber durchaus nicht immer zum Ausdruck kommen muss.

Typus 2: Progressiv + Progressiv. Anfang und Ende sind hier bei beiden Verben ausgeblendet, d.h., wir befinden uns zugleich in der Mitte von zwei Vorgängen. Der Eindruck ist deshalb oft der einer gewissen Verwirrung. Etwa: Everybody was laughing and talking, shaking hands, clinking glasses, stamping on the floor. Ein turbulentes Zugleich, wie es für das letzte Stadium eines fröhlichen Abends charakteristisch ist. Oder eine ähnliche Situation: Ein junges Mädchen kommt auf ihrem ersten Ball in den Garderobenraum: Dark girls, fair girls, were patting their hair, tucking handkerchiefs down the front of their bodices, smoothing marble-white gloves. And because they were all laughing, it seemed ... Wieder ist nichts vom andern zu trennen, keine Gestalt, nur ein Ineinander von Eindrücken. Impressionismus wäre das passende Wort, man könnte an die Pointillisten oder bei diesem Motiv an Degas denken.

Es gibt aber auch Fälle, wo unsere Formel nicht für Gleichzeitigkeit, sondern für ein Nacheinander gebraucht wird, angedeutet z.B. durch and now: And now there were soldiers working on the railway line ... And now we were passing big wooden sheds. Wieder gibt es keine rechte Grenze, die Eindrücke fließen ineinander über - filmtechnisch ausgedrückt: ein Überblenden. Neuere Schriftsteller gebrauchen deshalb dieses Muster gern zur Darstellung von Traumerlebnissen, seien es nun wirkliche oder Wachträume. Katherine Mansfield scheint sich dieses an sich recht einfache Verfahren erst im Laufe ihrer schriftstellerischen Tätigkeit erarbeitet zu haben. In der frühen Kurzgeschichte "The Tiredness of Rosabel" wird die Grenze von Traum und Wirklichkeit noch viel umständlicher signalisiert: Suppose they changed places. Rosabel would drive home with him ... The firelight shone on her hair. Harry came across the room and caught her in his arms. (The real Rosabel ... crouched on the floor ... ). Of course - they rode in the park next morning ... They were married shortly afterwards. (The real Rosabel got up from the floor.) In den Wörtern suppose und The real Rosabel liegt noch eine gewisse Härte; grob gesagt, man hört, wie die Autorin den Schalter von Traum zu Wirklichkeit umlegt. In einer späteren Geschichte "A Married Man's Story", sind diese auffälligen Signale fortgefallen: ... all at once I am arriving in a strange city ... I am brushing through deserted gardens, I am standing on the dark quayside, giving my ticket into the wet, red hand of a sailor ... walking along a deserted road ... and the trees are stirring, stirring. Die Verlaufsform nach all at once ist ein Widerspruch, der sich nicht mehr mit der wachen Vernunft verträgt, und wirklich blendet von hier an alles ineinander über. Die raffiniert gehandhabte Grammatik ersetzt die kommentierende Erzählerin, die sich hier völlig zurückgezogen hat.

Typus 3: Progressiv + Faktuell. Er ist schon alt und wird - in der Alltagssprache wie in der Literatur - außerordentlich häufig gebraucht, etwa in Dickens' "Nicholas Nickleby": While the foregoing conversation was proceeding, Master Whackford, finding himself unnoticed ... had by little and little sidled up to the table and attacked the food ... and was, by that time, deep in the pie. Man ist versucht, den ersten Teil langsam und spannend, den zweiten Schlag auf Schlag zu lesen. Wir sehen, dass das Gewicht ungleich verteilt ist: Der erste Vorgang bildet nur eine dynamische Laufkulisse, vor oder hinter welcher das für die Handlung wichtige Ereignis stattfindet. Also Kulisse und Ereignis, "screen and flash". Viele volkstümliche Lieder z. B. beginnen mit einer Landschaftskulisse, etwa: Early one morning, just as the sun was rising, I heard (... a maid sing in the valley below) oder, mit Abendeffekt statt Morgeneffekt, The pale moon was rising above the green mountain/ The sun was declining beneath the blue sea/ When I strayed with my love to the pure crystal fountain/ That stands in the beautiful vale of Tralee.

Bedeutenden Schriftstellern aber gelingt es noch immer, die latente Dramatik dieser alten Formel aufzufrischen. In Katherine Mansfields "Daughters of the Late Colonel" liegt der alte Oberst im Sterben (es handelt sich um einen Rückblick, daher das Plusquamperfekt am Schluss): He lay there, a dark, angry purple in the face, and never even looked at them when they came in. Then, as they were standing there, wondering what to do, he had suddenly opened one eye. Der Anfang - lay, never, looked - sagt uns: zeitlos dauernd, keine Änderung abzusehen. Dann wechselt der Aspekt; were standing erscheint nun als bloße Vorbereitung, und in die wachsende Spannung fällt das Öffnen des Auges wie ein Schlag.

Die Kulisse kann auch absichtlich übertrieben werden. In Thackerays Pendennis türmt der Dichter eine Welt von kosmischen und anderen Kulissen auf, um einer Abschiedsszene das gehörige ironische Gewicht zu geben: The sickle moon was blazing bright in the heavens then, the stars were glittering, the bell of the cathedral tolling nine, the Dean's guests ... were partaking of tea and buttered cakes in Mrs. Dean's drawing-room - when Pen took leave of Miss Costigan.

Typus 4: Faktuell + Progressiv. Er zeigt uns an, dass zur Zeit des ersten Ereignisses das zweite bereits begonnen hat. Also etwa: When they came out of the picture gallery, it was raining. Dieser Typus hat in der neueren Prosa eine besondere, man könnte sagen, fast geistesgeschichtliche Bedeutung erlangt. Seit den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts hat sich in der englischen, überhaupt in der europäischen Prosa ein Vorgang abgespielt, den man als den Rückzug des Autors aus der Erzählung bezeichnen könnte. Vor dieser Zeit wartete der Erzähler als eine vom Helden getrennte Instanz. Er bemerkte oft mehr als der Held und erlaubte sich Kommentare wie: "Was unserem Helden aber entging, war, dass er vom Fenster aus beobachtet wurde." Die neueren Prosaisten - in der angelsächsischen Literatur vor allem seit Henry James - verzichten dagegen häufig auf die Institution eines unabhängigen Erzählers. Ihr Wahrnehmungszentrum - wenn man will: ihre Kamera - liegt jetzt meistens in einer der Figuren selbst, sei es im Helden oder in einem begleitenden Zeugen.

Eines der Mittel, diese neue Perspektive anzuzeigen und deutlich zu machen, ist unser Typus vier. Die Verlaufsform blendet bekanntlich den Anfang des Ereignisses aus. Sie ist deshalb hervorragend geeignet, die subjektive Wahrnehmung einer Romanfigur wiederzugeben, welche in eine Szene erst Einblick bekommt, nachdem diese schon begonnen hat. So heißt es in dem modernen Märchen "Mary Poppins" von einer Heldin: she danced ..., till she came to the flight of steps that led to the King's throne. Upon this the King was sitting, busily making a new set of laws. His secretary was writing them down in a little red note-book. Die Formen sat, made, wrote hätten die Vorgänge von A bis Z zusammengefasst und damit den Standpunkt eines unabhängigen Autors, der schon vorher da war, angezeigt. Die progressiven Formen dagegen sagen uns, dass wir den Anfang nicht mehr "mitbekommen"; wir blicken also mit der Heldin wie durch ein plötzlich geöffnetes Fenster in den schon begonnenen Vorgang hinein. Dieser Typus, das "Fenstermotiv" (Bernhard Fehr), kommt in vielen Situationen vor. In den nun folgenden Proben soll der eingeklammerte Doppelpunkt den Beginn der Wahrnehmung andeuten. Das "Fenster" kann ein wirkliches sein: The window looked out on the flower beds. (:) An old gardener was sweeping the path brushing the leaves into a neat little heap. Oder es öffnet sich eine Tür: He pushed open the door of Dicky's slip of a room. (:) Dicky was standing in the middle of the floor in his nightshirt.

Ein neues Blickfeld kann sich auch durch bloßes Ankommen an einem Ort auftun: By that they had reached the hotel (:) The manager was standing in the broad, brilliantly lighted porch. Oder aber, der Held kann durch eine andere Person auf etwas aufmerksam gemacht werden: "There's someone there ", he pointed to the far bank. (:) Two figures were moving against the trees.

Stets haben wir also zwei Hälften: einen Satzteil mit faktueller Form, der als Wahrnehmungsöffner fungiert, und einen in der Verlaufsform, der uns die am Anfang beschnittene subjektive Wahrnehmung des Helden miterleben lässt.

Nicht immer braucht der Held von jemand anderem aufmerksam gemacht zu werden. Er kann auch selber eines Ereignisses gewahr werden, wenn dieses schon begonnen hat. Im folgenden Beispiel steht die Heldin im Zwielicht auf einer belebten Straße still und lässt ihre Gedanken wandern: "One ought to go home and have an extra-special tea." But at the very instant of thinking this, a young girl, dark, thin, shadowy - where had she come from - was standing at Rosemary's elbow. Beim Erwachen aus der Träumerei ist das fremde Geschöpf schon eine Weile da. Oder in einer anderen Situation: She looked at him, smiling. Then she was in his arms and he was kissing her with a fine certainty that surprised him. Hier mag das Moment der Wiederholung mitspielen; die Hauptsache ist aber doch, dass dem Helden seine eigene Handlung unvermutet kommt. Ehe er weiß, was geschieht, hat er den Anfang schon überstanden. Zu übersetzen: "und ehe er sichs versah, küsste er sie auch schon".

Fragen wir uns, was wir von den hier geschilderten Koordinationstypen behalten und selbst anwenden sollen. Der erste, Gleichwertigkeit oder Sukzession, wird sehr häufig gebraucht werden. Der dritte, die Kulisse mit Ereignis, ebenfalls, und auch der vierte Typus, Hereintreten in eine bereits begonnene Szene, wird sich, besonders beim Erzählen, oft ergeben. Bei dem zweiten dagegen - bei dem Überblendungs- und Traummuster - ist einige Zurückhaltung geboten, denn Unklarheit und Verwirrung kommen im allgemeinen von selbst und brauchen nicht erst durch künstliche Mittel herbeigeführt zu werden.

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